Seniorenheime bauen das Internet aus
Frankfurt/Main – «Wo ist der Airdrop hin?», fragt Rosemarie Fischer (81) und streicht über ihren Tabletcomputer. «Moment, ich muss die Brille aufsetzen», antwortet Gisela Bossecker (95).
Schnell haben die beiden Damen im Käthe-Richter-Haus, einem Seniorenheim in Kassel, die Tauschfunktion gefunden und schieben auf digitalem Weg Fotos zwischen ihren Tablets hin und her. Doch nicht nur das: Sie schreiben Mails, telefonieren, versenden Kurznachrichten und spielen. Im Käthe-Richter-Haus ist das alles kein Problem – denn die Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) hat kabelloses Internet.
Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) gehört das Käthe-Richter-Haus damit noch zu einer Minderheit in Deutschland: Geschätzt ein Drittel der Seniorenheime habe Internet. Man stehe beim Ausbau ziemlich am Anfang, sagt Nicola Röhricht, BAGSO-Referentin für Digitalisierung und Bildung.
Dabei sind sich Verbände und Heimbetreiber einig: Die Bedeutung von WLAN und Internet in den Pflegeeinrichtungen steigt, weil die ersten internetaffinen Senioren, nach ihrer Haarfarbe «Silver Surfer» genannt, ins Pflegealter kommen. «Ältere Menschen, die heute schon viel mit digitalen Technologien umgehen, wollen auch im hohen Alter nicht darauf verzichten», heißt es beim Digitalverband Bitkom. Senioreneinrichtungen müssten diesen Ansprüchen gerecht werden.
Internet «das Tor zur Welt»
Ob bei der Wahl des Pflegeheims künftig der Internetzugang zu einem entscheidenden Kriterium wird, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Für die BAGSO ist Nachfrage nicht das wichtigste Argument: «Der Punkt ist, dass gerade die, die im Heim leben und nicht mehr mobil sind, nicht mehr soviel am Leben teilnehmen können», sagt Röhricht. Für diese Senioren sei das Internet «das Tor zur Welt».
Die Seniorinnen im Kasseler Käthe-Richter-Haus sind Beispiele dafür: Beide sitzen im Rollstuhl, sind aber virtuell viel unterwegs. «Ich habe einige Leute, mit denen ich korrespondiere», erzählt Fischer. Sie lese auch Zeitung auf dem Gerät und schicke Kurznachrichten: «Der Enkel ist zu faul, Mails zu schreiben», sagt die 81-Jährige.
Auch Gisela Bossecker nimmt über das Tablet am Familienleben teil: Der Schwiegersohn lebe in Gießen, das ist gut 90 Autominuten entfernt. Sie bekomme Fotos und nutze die Videotelefonfunktion «Facetime». Dabei ist Bossecker erst spät zum «Silver Surfer» geworden: Mit 90 fing sie an, sich mit der Technik zu beschäftigen.
Die Nachfrage nach Internet steige, sagt Gerald Fischer, Leiter des Käthe-Richter-Hauses. «Wir merken das vor allem bei Kurzzeitpflegegästen und bei Menschen, deren Familie weiter auseinanderlebt.» Nutzungsbeschränkungen gebe es in seinem Haus nicht. Wer ein Ticket für zehn Euro im Monat erwirbt, kann es nutzen, wie er will: online bestellen, Reisen buchen, surfen, Fernsehen gucken oder Filme streamen. Letzteres werde aber eher selten genutzt; die «Netflix»-Generation ist in den Heimen noch nicht angekommen.
Mitarbeiter und Heimleiter
Laut der BAGSO sind es vor allem Mitarbeiter und Heimleiter, die die Verbreitung von WLAN und Internet vorantreiben. Doch auch Betreiber haben die Zeichen der Zeit erkannt: «Wir erleben bereits, dass die Generation «Silver Surfer» mit Smartphone, Tablet oder Laptop bei uns einzieht und einen Internetanschluss als wichtig empfindet», sagt Swen Klingelhöfer, Sprecher der AWO Hessen-Süd.
Auch die Arbeit in den Pflegeeinrichtungen kann von WLAN und Internet profitieren. Nach BAGSO-Angaben werden spezielle Angebote zum Beispiel zur Beschäftigung der Bewohner oder Betreuung Demenzkranker eingesetzt. Selbst der Austausch medizinischer Daten oder die Vernetzung mit Gebäude- oder Zimmertechnik ist vorstellbar. «Smart Home wird ein Thema werden», sagt Einrichtungsleiter Fischer.
Fotocredits: Uwe Zucchi
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