Night Work: Neues Album der Scissor Sisters

Ein ganzes Album verwerfen und dann nochmal von vorne anfangen? Es wäre vermutlich nicht das erste Mal, dass sich eine solche Geschichte als verkaufsfördernde Anekdote erweist und dabei schlichtweg nur erfunden ist. Im Fall von „Night Work“ der Scissor Sisters gab es die ursprünglichen Songs aber tatsächlich bereits schon einmal live zu hören. Auf dem jetzt erschienenen Album ist kein einziger von ihnen enthalten.

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Seit 2007 war es still geworden um die Band, die wie keine zweite einen längst überholt geglaubten Discosound mit Gayclub-Image zum charttauglichen Phänomen erhoben hat. Die Scissor Sisters um Sänger Jake Shears hatten sich nach ihrer ausgiebigen Tour zum zweiten Album „Ta-Dah“ zurückgezogen, um ungestört ins Studio gehen zu können. Doch lange Zeit geschah außer wiederholten Ankündigungen nicht viel. Ausdruck einer kreativen Krise?

Offenbar, denn kein Song auf dem neuen Album „Night Work“ gehört zum originalen Album-Set, das die Band unter variablen Pseudonymen (mal als „Queef Latina“, mal als „Debbie´s Hairy“) bereits Ende 2008 in der New Yorker Mercury´s Lounge gespielt hatte. Bereits kurz darauf hatte Shears verkündet, dass vermutlich alle Titel wieder verworfen würden. Dabei blieb es dann auch.

Als selbst Weggefährte Elton John (mit dem zusammen die Band den Song „I don’t feel like Dancin“ geschrieben hatte) das neue Material für unbrauchbar hielt, machte sich Shears nach Berlin auf, wo ihm eine exzessive Sexparty – der selbstverbreiteten Legende nach – endlich den nötigen Input verschaffte. Hedonistisch sollte es klingen.

Was auch immer man davon glauben mag, bleibt jedem selber überlassen. „Night Work“ ist jedenfalls ziemlich genau das, wofür die Scissor Sisters bekannt sind. Der markante Falsettgesang, den Shears immer wieder anstimmt, und der so unmissverständlich an die Bee Gees erinnert, kehrt zwar selbstverständlich auch hier wieder zurück, doch es gilt unabhängig davon, genau hinzuhören, will man dieses dritte Album der Band treffend würdigen.

Auf dem Cover gibt es interessanter Weise ein Schwarzweiß-Foto des Künstlers Robert Mapplethorpe zu sehen. Es zeigt die gut durchtrainierte Rückansicht des 1980 an AIDS verstorbenen Balletttänzers Peter Reed und nimmt damit die thematische Ausrichtung des Albums vorweg. Denn hinter all dem Glam und Glitzer handelt „Night Work“ doch im Kern von Ausschweifung, Zügellosigkeit und einer daraus geborenen Tragik, die sich nicht so einfach wegtanzen lässt.

Scissor Sisters: Night Work
Polydor / Universal
ASIN: B003H4QOM4Similar Posts:

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