Aufstieg und Fall des Suhrkamp-Verlags
Das Tauziehen der Gesellschafter des renommierten Suhrkamp-Verlags geht in eine neue, vielleicht finale Runde und beschert dem Traditionshaus kurz vor Jahresende keine besinnliche Stimmung. Nach langen Querelen und Zwistigkeiten in und um die Führungsetage könnte das Ende nun in anderer Hinsicht bevorstehen.
Beide Anteilseigner fordern vehement, aufgrund unüberbrückbarer Differenzen in Sachen Unternehmensführung, per Klage vor Gericht den Ausschluss des Anderen; ein jüngst eingereichter Hilfsantrag zur Auflösung der Gesellschaft könnte nun ihr Todesstoß sein.
Suhrkamp – Verlag des 20. Jahrhunderts
Der Mitte der 1930er Jahre aus dem S. Fischer-Verlag hervorgehende Suhrkamp-Verlag wird bis zu seinem Tod 1959 von Peter Suhrkamp geleitet. Das Medienhaus hat sich zur damaligen Zeit die Zusammenarbeit mit namhaften Autoren gesichert und publiziert mit Erfolg Klassiker der modernen Epoche, deutschsprachige Literatur und Literatur der Geisteswissenschaften. Siegfried Unseld, zunächst Verlagsmitarbeiter, später Gesellschafter, tritt die Nachfolge von Peter Suhrkamp an und führt dessen Hauptanliegen, deutschsprachige Literatur international zu etablieren und junge, unbekannte Autoren zu fördern, fort. Der Literaturverlag öffnet sich in den Folgejahren und steigt mit vielfältigen Erweiterungen und durch die Publizierung und Förderung internationaler Autoren zu einem der führenden, deutschen Verlage auf. Nach dem Tod von Siegfried Unseld 2002 nimmt dessen Witwe Ulla Unseld-Berkewicz, einst selbst Autorin des Verlags, das Zepter in die Hand und eine Schlüsselposition bei verschieden motivierten und gearteten Streitigkeiten ein.
Suhrkamp-Verlag droht Auflösung
Die Suhrkamp-Chefin hält mit einer Familienstiftung 61 Prozent der Anteile des Suhrkamp-Verlags. Die Medienholding Winterthur, um den norddeutschen Investor und ehemaligen Eigentümer der Hamburger Morgenpost Hans-Georg Barlach, 39 Prozent. Beide Gesellschafter können sich im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts auf keinen gemeinsamen Kurs einigen, fordern jeweils mehr Einfluss und sind nach heftigen Disputen ohne Aussicht auf Versöhnung. Mit dem unlängst eingereichten Antrag erreicht der Clinch im Medienhaus Suhrkamp neue Dimensionen und einen neuen Tiefstwert.
Die Urteilsverkündung durch das Landgericht Frankfurt wird am 13. Februar 2013 erwartet. Die unmittelbare Nähe zum Valentinstag muss Ironie des Schicksals sein, denn die Liste der Streitigkeiten, der internen Machtkämpfe, der gegenseitigen Vorwürfe und Verleumdungen ist lang: Bereits mit der Übernahme der Führungsposition durch Ulla Unseld-Berkewicz kehrt ein Teil des Stiftungsrats dem Verlag den Rücken. 2004 wechselt der bekannte Autor Martin Walser im Zorn den Verlag. Ihm folgen weitere namhafte Autoren und Persönlichkeiten, unter ihnen der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Der umstrittene Umzug 2010 von Frankfurt nach Berlin sorgt ebenso für Ärger, wie die schrittweise Veräußerung des gesamten Suhrkamp-Archivs. Der Verlegerssohn Joachim Unseld verkauft wegen vorliegenden Differenzen bereits 2009 seine gesamten Gesellschaftsanteile und verliert 2011 einen Erbschaftsstreit mit seiner Stiefmutter.
Literaturwelt hofft auf Lösung
Mit dem Satz „Einer der namhaftesten Teilnehmer am Literaturbetrieb der Nachkriegszeit droht zu verschwinden…“ fasst der Vorsitzende Richter des Landgerichts Frankfurt, Norbert Höhne, die Verhandlungen zusammen und drückt damit die Sorge vieler über das bevorstehende Ende des Publikationshauses aus.
Die kürzliche Abberufung der derzeitigen Geschäftsführerin Ulla Unseld-Berkewicz durch das Berliner Landgericht, bei dem eine weitere Klage wegen Veruntreuung von Firmengeldern vorliegt, war erneut ein heftiger Donnerschlag im Streit um den Suhrkamp-Verlag. Der Minderheitseigner der Gesellschaft Hans-Georg Barlach wirft der Suhrkamp-Chefin zudem unzulässige Vermischung von Privatem und Geschäftlichem vor. Es bleibt nun abzuwarten, welche Kräfte sich am Ende durchsetzen und ob sie das Beste für den Verlag wollen.
Bild:Carlo Süßmilch – FotoliaSimilar Posts: