Wenn Liebeskummer krank macht

Berlin – Die meisten Menschen trifft es mit voller Wucht: Eine innige Beziehung zerbricht – und das Herz gleich mit. Der Begriff Liebeskummer? «Ist dafür viel zu harmlos», sagt Günter H. Seidler, Facharzt für Psychotherapie und Professor an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

«Trennungen und unglückliche Lieben können nicht nur eine vorübergehende Traurigkeit auslösen, sondern tatsächlich krank machen», so der Experte. Viele Erwachsene würden das jedoch nicht ernst nehmen. «Sie gehen davon aus, dass das bisschen Liebeskummer mit der Zeit von selbst verschwindet.»

Liebeskummer dauert und sollte nicht unter den Teppich gekehrt werden

So ist es häufig auch – aber längst nicht immer. «Der Schmerz kann durchaus zwei Jahre andauern», sagt Seidler. «Und manchmal auch ein ganzes Leben.»

Auch Elena Sohn, Autorin des Buches «Goodbye Herzschmerz», rät dazu, Liebeskummer nicht unter den Teppich zu kehren. «Die Symptome gleichen einer Depression», sagt sie. Betroffene kämpfen zum Beispiel mit Perspektivlosigkeit, Niedergeschlagenheit, Schlafmangel, Appetitlosigkeit oder Antriebslosigkeit.

Sohn betreibt die Beratungsagentur Liebeskümmerer – genau für solche Fälle. In ihrer Praxis sieht sie am häufigsten Menschen zwischen 30 und 40 Jahren, aber auch viele jenseits der 70. «Menschen im höheren Alter fragen sich oft, ob es das letzte Mal war, dass sie sich verliebt haben.»

Was verschafft Hilfe?

Wichtig sei dann – ganz unabhängig vom Lebensalter – den Blick auf sich selbst zu richten und gut für sich zu sorgen. «Vielen Menschen hilft es, über ihre Situation zu reden und sich vor Augen zu führen, was im eigenen Leben noch von Bedeutung ist», sagt Sohn. Das könne ein erfüllter Beruf sein, ein Hobby oder der Kontakt zu guten Freunden.

Doch was tun, wenn alles nichts hilft? «Manche Menschen werden immer wieder von regelrechten Erinnerungssturzbächen heimgesucht», sagt Seidler. «Diese Erinnerungen drängen sich den Betroffenen auf, sie fühlen sich dann hilflos ausgeliefert.» Eventuell muss in solchen Fällen Hilfe von außen her.

Broken-Heart-Syndrom

Doch nicht immer ist Liebeskummer der dunkle Begleiter, der sich langsam einen großen Platz im Leben erschleicht. Es gibt Menschen, die werden von jetzt auf gleich todkrank. Broken-Heart-Syndrom nennt man dieses Phänomen. Betroffene erleiden ein akutes Herzversagen, ausgelöst durch starken emotionalen Stress.

«Viele kommen mit Brustschmerzen und Atemnot in die Klinik und alles spricht erstmal für einen Herzinfarkt», erklärt Katrin Streckfuß-Bömeke, Biologin an der Universitätsmedizin Göttingen. Klassischer Fall des Broken-Heart-Syndroms: Nach langen gemeinsamen Ehejahren verstirbt plötzlich der Ehemann. Kurz darauf kommt die Frau mit Herzschmerzen ins Krankenhaus – und verstirbt im schlimmsten Fall.

Viele Patienten entwickeln in dieser akuten Phase, die meistens ein bis drei Tage dauert, Begleiterkrankungen wie Lungenödeme oder sogenannte kardiogene Schocks, bei denen ein Pumpversagen des Herzens auftritt. Behandelt werden Menschen mit Broken-Heart-Syndrom in der Regel wie Patienten mit Herzinsuffizienz. «Im Gegensatz zum Herzinfarkt erholen sich die Patienten sehr gut, wenn sie die gefährliche akute Phase überstanden haben», sagt Streckfuß-Bömeke. «Nach zwei Monaten sind die meisten wieder komplett gesund.»

Sie rät jedoch, nach überstandener Krankheit psychotherapeutische Hilfe in Erwägung zu ziehen. «Patienten erleiden manchmal einen Rückfall. Hier könnte eine Therapie helfen, nicht noch einmal eine solche emotionale Stresssituation zu verfallen und den eventuell dahinter liegenden Verlust besser zu verarbeiten.»

Literatur:

Elena-Katharina Sohn: Goodbye Herzschmerz. Eine Anleitung zum Wieder-Glücklichsein, Ullstein Taschenbuch, 10. Auflage 2016, 240 Seiten, 11 Euro. ISBN-13: 978-3548376110

Fotocredits: Christin Klose,Günter H. Seidler,Georg Meierotto,Fotostudio Miriam Merkel,Ullstein Verlag
(dpa/tmn)

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(dpa)