Warum Krebs junge Erwachsene hart trifft

Berlin – Wenn Kinder Krebs bekommen, setzen Eltern und Ärzte Himmel und Hölle für eine gute Behandlung in Bewegung. Ältere Menschen mit Lebenserfahrung haben oft ein großes soziales Umfeld und kennen das Gesundheitssystem.

Aber was ist bei Krebs mit 19 oder 29 – mitten im Studium oder mit kleinen Kindern? Die Berliner Stiftung «Junge Erwachsene mit Krebs» will die Hilfen für Patienten in dieser Altersgruppe verbessern. Was steckt dahinter? Fragen und Antworten:

Wie viele Menschen zwischen 18 und 39 Jahren erkranken in Deutschland an Krebs?

Statistisch gesehen gibt es in dieser Altersgruppe nach Angaben der Stiftung rund 15 000 Neudiagnosen pro Jahr. Bei insgesamt rund 480 000 neuen Krebserkrankungen jährlich sind das nur knapp drei Prozent. Doch genau diese Seltenheit kann tückisch sein.

Warum?

Diagnosen können sich verzögern, weil Ärzte bei jungen Patienten nicht immer sofort an Krebs denken oder aber Wartezeiten, zum Beispiel auf Kernspins, in Kauf nehmen. «Ich bin manchmal geschockt, wie da der zeitliche Ablauf ist», sagt der Göttinger Kinder-Onkologe Christof Kramm zur Krebsbehandlung von Erwachsenen. Für krebskranke junge Erwachsene sei es vielfach besser, sich in der Kinderonkologie einer Klinik behandeln zu lassen. «Ein 23-Jähriger wird von der Gesamtatmosphäre einer Kinderstation sicher besser getragen, als wenn er neben einem 80-Jährigen liegt», ist Kramm überzeugt. Auf Stationen für Kinder und Jugendliche sei der Betreuungsschlüssel besser und mehr Psychologen und Sozialarbeiter im Einsatz.

Gibt es Krebsarten, die junge Erwachsene überdurchschnittlich oft treffen?

Ja. Nach Angaben der Stiftung gehören Hautkrebs, Gebärmutterhalskrebs, Hodenkrebs, Brustkrebs, Sarkome (befallenes Knochen-, Knorpel- und Fettgewebe) und das Hodgkin-Lymphom (befallenes Lymphsystem) dazu.

Trifft eine Krebs-Diagnose junge Menschen härter?

«Die Diagnose kommt zu einer Zeit, in der Gedanken an Sterben und Tod normalerweise keinen Platz haben», sagt Karolin Behringer, Fachärztin an der Onkologischen Ambulanz des Uniklinikums Köln. In dieser Lebensphase gehe es meist um Unabhängigkeit, sexuelle Orientierung und Erfahrung, die Lösung vom Elternhaus, Ausbildung, Arbeitsplatz, Karriere und die Gründung einer Familie. «Die Erkrankung trifft nicht eine ausgereifte, in sich ruhende Persönlichkeit, sondern eine eher unsichere, unselbstständige und verletzliche, so dass eine doppelte Krisensituation entsteht», resümiert Volker König, ärztlicher Leiter der Fachklinik für onkologische Rehabilitation Bad Oexen (Niedersachsen). Eine lebensgefährliche Erkrankung in diesem Alter sei deshalb häufig ein gravierender Einschnitt in die gesamte Lebens- und Zukunftsplanung.

Was belastet junge Krebspatienten besonders?

Bei jungen Menschen spielt die fehlende finanzielle Absicherung eine große Rolle. «Wir hatten hier Fälle, bei denen Studenten mit Krebs das BAföG gekürzt oder ihre Wohnung gekündigt wurde», berichtet Stiftungsprecherin Frauke Frodl. «Im Gegensatz zu Kindern, Jugendlichen und älteren Patienten kommt auch dem Thema Kinderwunsch übergeordnete Bedeutung zu», ergänzt Inken Hilgendorf, Onkologin am Universitätsklinikum Jena. Das Risiko drohender Unfruchtbarkeit als Folge notwendiger Therapien müsse von Anfang an thematisiert werden. Bisher finanzieren Krankenkassen das Einfrieren von Eizellen und Spermien vor Chemotherapien nach Angaben der Stiftung in der Regel nicht. Junge Erwachsene, die zum Zeitpunkt der Diagnose eine Familie gegründet haben, belastet die Sorge um das Kind und die Trennung während der Klinikaufenthalte.

Wie stehen die Heilungschancen bei jungen Erwachsenen?

Im Gegensatz zu älteren Patienten ist die Heilungsrate gut und liegt bei rund 80 Prozent. Doch es gibt erst wenige Studien zu den Langzeitfolgen erfolgreicher Therapien bei Menschen zwischen 18 und 39 Jahren. Bei Erwachsenen, die als Kinder wegen Krebs behandelt wurden, habe ein zweistelliger Prozensatz Spätfolgen wie Nieren- oder Hirnschäden, berichtet Peter Kaatsch, Leiter des Deutschen Kinderkrebsregisters an der Universitätsmedizin Mainz. Künftig müsse deshalb verstärkt ein möglichst spätfolgenfreies Überleben das Therapieziel sein.

Fotocredits: Wolfgang Kumm
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