Trotz Instagram innerlich zufrieden bleiben
Berlin – Essensfotos, so lecker aussehend, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft. Reisebilder, so paradiesisch anmutend, dass sich automatisch Fernweh einstellt. Selfies, so schön getroffen, dass sie den Selbstwert des Betrachters stark auf die Probe stellen:
In der Parallelwelt sozialer Netzwerke scheint einfach alles perfekt. Das hohe Maß an Inszenierung ist dabei ein offenes Geheimnis – je nach Art der Nutzung kann sich der schöne Schein aber trotzdem negativ auf das Wohlbefinden auswirken.
«Es ist vor allem der passive Konsum, der die Stimmung des Nutzers verschlechtern kann», sagt Sonja Utz. Die Psychologin und Expertin für soziale Medien rät davon ab, sich lediglich auf den Vergleich mit anderen Personen zu beschränken. Sie verweist auf einen
Übersichtsbeitrag zu den Effekten der Nutzung sozialer Netzwerke aus dem Jahr 2017. Darin stellten Wissenschaftler von verschiedenen Universitäten fest, dass es einen negativen Zusammenhang zwischen passiver Nutzung der Netzwerke und dem subjektiven Wohlbefinden gibt.
Selbstwertgefühl gefährdet
«Die Leute zeigen sich auf Facebook, Instagram und Co. ja fast immer von ihrer besten Seite», erklärt Utz. «Es sind also zum großen Teil Aufwärtsvergleiche, die der passive Nutzer dadurch erlebt.» Das könne zu einem geringen Selbstwertgefühl und einer damit zusammenhängenden Lebensunzufriedenheit führen.
Andersherum gibt es laut dem Beitrag einen positiven Zusammenhang zwischen der aktiven Nutzung sozialer Netzwerke und dem eigenen Wohlbefinden, sagt Utz. «Erst durch die Interaktion mit anderen Menschen kann man soziales Kapital aufbauen.» Wer kommentiert, chattet, diskutiert und sich mit anderen austauscht, finde in den Netzwerken ein Instrument, das das eigene Leben durchaus bereichern kann.
Das eigene Leben – für Karin Krümmel überhaupt der wichtigste Aspekt, auf den es im Zeitalter des Internets zu achten gilt. «Das reale Leben muss immer an erster Stelle stehen», sagt die Psychologin. «Ansonsten wird es heikel.» Denn Anerkennung und Wertschätzung von Freunden oder Familie lasse sich nur schwer durch virtuelle Likes von teils fremden Followern ersetzen. Um nicht zu stark in den Sog von Vergleichen und Bewertungen zu geraten, brauche es daher dringend ein stabiles soziales Gefüge.
Darüber hinaus ist die Frage nach den eigenen Werten wichtig. «Als Life Coach hatte ich schon oft mit Menschen zu tun, denen der Druck sozialer Medien zu schaffen gemacht hat», erzählt Krümmel. «Ich rate dann immer, sich die Frage zu stellen: Welche Werte sind mir eigentlich wichtig?» Meist ähnelten sich die Antworten, die sie erhält: Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit. Dinge, die in den Netzwerken zum Teil zu kurz kommen. «Man sollte trotzdem lernen, die Apps so zu nutzen, dass sie diesen eigenen Werten entsprechen», sagt Krümmel.
Wunsch nach Authentizität
Dazu gehöre auch, sich so darzustellen, wie man es sich von anderen wünscht. Und viele Menschen wünschen sich auch im Netz Authentizität. Das legt zumindest der Erfolg mancher Instagram-Stars wie Celeste Barber nahe. Der australischen Komikerin, die regelmäßig scheinbar perfekte Bilder von Promis nachstellt und dabei alles andere als perfekt aussieht, folgen derzeit fünf Millionen Nutzer.
Eine Bestandsaufnahme derjenigen Menschen, mit denen sich Nutzer regelmäßig vergleichen, sei generell sinnvoll, sagt Falk Hedemann. Er beschäftigt sich in seinem Blog unter anderem mit Social-Media-Themen und berät Unternehmen. «Wir haben es selbst in der Hand, wem wir in den verschiedenen Netzwerken folgen», sagt er. Wer viele Influencer und Promis mit hohem Sendungsbewusstsein in seinen Stream aufnimmt, ist permanent mit der Scheinwelt konfrontiert.
Mit dafür verantwortlich ist auch die Technik: «Die Algorithmen verzerren zusätzlich unsere Wahrnehmung, da unsere eigentlichen Freunde niedrigere Interaktionsraten haben und weniger hervorgehoben werden», erklärt Hedemann. Wer das verhindern möchte, sollte also schauen, wem er folgt – und gegebenenfalls den einen oder anderen aus dem eigenen Stream verbannen.
So bleiben Dauernutzer offline:
Ständiges Online-Sein kann sich unter Umständen negativ auf die Psyche auswirken. Catarina Katzer, Buchautorin und Spezialistin für digitales Sozialverhalten, gibt Tipps für Offline-Zeiten:
1. Apps: Es gibt Apps, die dem Nutzer sein Smartphone-Verhalten direkt vor Augen führen. «Checky» etwa zählt mit, wie oft man am Tag nach seinem Handy greift. «Moment» wurde entwickelt, um die Zeit zu messen, die man täglich mit dem Smartphone verbringt. «Offtime» wiederum blockiert nach Wunsch bestimmte Programme und Anwendungen für eine festgelegte Zeit.
2. Ablenkung verhindern: Allein die sichtbare Anwesenheit des Smartphones reicht schon aus, um öfter draufzugucken als eigentlich notwendig. Das Gerät sollte also möglichst nicht in Sichtweite liegen. In Gesellschaft mit Freunden oder Familie könnten die Smartphones auch gesammelt werden – wer dann zuerst nach seinem Handy greift, muss die nächste Runde zahlen oder den Abwasch machen. Farbe und bunte Bilder lenken darüber hinaus mehr ab als Graustufen.
3. Rausgehen – ohne Smartphone: Ohne Handy aus dem Haus gehen und dabei keine Schweißausbrüche bekommen: Auch das lässt sich (wieder) erlernen. Beim Einkaufen oder auch im Restaurant merken viele schnell, dass gar nichts Schlimmes passiert, wenn sie nicht immer online sind.
Fotocredits: Christin Klose,Silke Sommer,Life Coaching Berlin
(dpa/tmn)
Similar Posts:
(dpa)