So funktionieren Medikamenten-Apps
Hannover – Es ist kein Anruf und keine Nachricht, das Smartphone piept aber trotzdem. «12 Uhr, Tablette einnehmen!» So erinnern Apps ihre Nutzer daran, Medikamente zu nehmen.
Wichtig ist das vor allem für chronisch Kranke mit Bluthochdruck, Parkinson oder Diabetes etwa, die ihre wichtige Medizin auch im größten Alltagsstress nicht vergessen wollen. Die Erinnerung ist aber nur eine Funktion der Medikamenten-Apps. «Nutzer können über die App zum Beispiel eine Art Medikamententagebuch führen», sagt Urs-Vito Albrecht vom Institut für Medizinische Informatik der Technischen Universität Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover.
In dem Tagebuch können Patienten zum Beispiel festhalten, wie hoch zu welcher Tageszeit ihr Blutdruck oder wie ihr Wohlbefinden nach der Einnahme von diesem oder jenem Präparat war.
Motivation und Information
Manche Apps bieten auch Infos zu Arzneimitteln, Neben- oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten etwa. Und andere geben einen Hinweis, wenn sich der Tablettenvorrat dem Ende nähert. Nach Angaben des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) gibt es schätzungsweise 100.000 deutsch- und englischsprachige Gesundheits-Apps. «Die Bandbreite hier ist enorm», sagt Albrecht.
Darunter fallen aber auch Apps, die zu mehr Bewegung motivieren wollen oder mit der sich die Entwicklung von Babys dokumentieren lässt. Wie viele reine Medikamenten-Apps auf dem Markt sind, ist dem BPI nicht bekannt. «Schätzungsweise sind das mehrere hundert», sagt Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen.
Anbieter hinter den Apps
Sich im Angebotsdschungel zurechtzufinden und die passende Apps für die eigenen Bedürfnisse auszumachen – «das ist für Patienten gar nicht so einfach», sagt BPI-Sprecherin Julia Richter. Hinter den Apps stecken die unterschiedlichsten Anbieter: Pharmafirmen etwa, Apotheken oder Krankenkassen. Die Qualität der Apps ist laut Richter «höchst unterschiedlich». Wer auf der Suche nach einer praxistauglichen und passenden Medikamenten-App ist, sollte am besten seinen behandelnden Arzt fragen, rät die BPI-Sprecherin.
Angehende Nutzer sollten unter anderem darauf achten, dass der Anbieter transparent über sein Produkt informiert, erklärt Albrecht. Er leitet die multidisziplinäre Forschergruppe PLRI MedAppLab, die sich mit den ethisch-rechtlichen Rahmenbedingungen des medizinischen Einsatzes von Gesundheits-Apps auseinandersetzt.
Klar erkennbar sollte zum Beispiel sein, wer die App auf welcher Basis erstellt hat, wozu die App gedacht ist und wo ihre Grenzen sind. «App-Anbieter, die sich bei der Information über ihr Produkt auf Marketingphrasen beschränken und nicht offen die Fakten darlegen, sind unseriös», so Albrecht.
Regeln bei der Kennzeichnung
Wird eine Medikamenten-App kostenlos angeboten, sollten Interessenten das ebenfalls kritisch hinterfragen. «Es muss klar werden, wer die Finanzierung der App übernommen hat und welche Interessen dahinter stecken», so Hubloher. Ein Problem: Derzeit müssen Anbieter von Medikamenten-Apps den Nutzen ihrer Produkte nicht nachweisen. «Das ist ein Grund mehr, bei der Auswahl sehr vorsichtig zu sein», sagt die Verbraucherschützerin.
Wird eine App hingegen klar seitens eines Pharmaherstellers zu therapeutischen Zwecken vermarktet, dann liegt ein Medizinprodukt vor. Die App benötigt dann eine CE-Kennzeichnung – damit soll sie technische Mindestanforderungen erfüllen.
Auf den Datenschutz achten
Ganz wichtig: der Datenschutz. Bietet eine App Funktionen an, die beispielsweise das Erfassen persönlicher Informationen ermöglicht, dann muss die dazugehörige Datenschutzerklärung auch klar sagen, wo die Daten gespeichert und wie sie technisch geschützt werden. Hat der Anwender die volle Kontrolle darüber oder verwendet der Anbieter die Daten auch selbst für einen wissenschaftlichen oder kommerziellen Zweck?
«Das ist gerade im Umfeld von gratis angebotenen Apps zu hinterfragen», betont Albrecht. Und: keinesfalls Empfehlungen von Apps blauäugig befolgen, etwa wenn mögliche Wechselwirkungen von zwei Medikamenten beschrieben werden. «Immer besser auch noch einmal hierzu Rücksprache mit dem behandelnden Arzt halten», so Hubloher.
Fotocredits: Christin Klose,Medizinische Hochschule Hannover,Piotr Banczerowski
(dpa/tmn)
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