Risiko Psychotherapie – Wenn die Probleme größer werden
Heidelberg – Eine Psychotherapie hilft vielen Menschen bei seelischen Schieflagen schnell aus der Krise. Doch wie jedes Medikament, das wirkt, birgt auch der Besuch bei einem Psychotherapeuten Risiken.
Fünf bis zehn Prozent der Hilfesuchenden geht es durch eine Therapie nicht wie erhofft besser – ihr Zustand verschlechtert sich. Das jedenfalls haben Studien ergeben, die sich mit den Schattenseiten von Psychotherapie beschäftigen.
«Wie bei medikamentösen Therapien gibt es auch in der Psychotherapie gewisse Risiken und manchmal Nebenwirkungen», bestätigt Jürgen Margraf, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie. Wer sich in Behandlung begibt, kann allerdings ein paar Dinge beachten, um das Risiko solcher Nebenwirkungen klein zu halten.
Sven Barnow hat untersucht, wie Psychotherapie wirkt und warum es manchmal auch zu unerwünschten Nebenwirkungen kommt. Er ist Professor am Institut für klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Heidelberg und betont: «Therapie ist grundsätzlich sinnvoll und in vielen Fällen hochwirksam.» Wirkt sie nicht oder nicht so wie vorgesehen, kann das ihm zufolge sowohl am Patienten liegen als auch am Therapeuten.
Es könnte etwa sein, dass der Patient eine Erkrankung hat, für die die gewählte Therapie gar nicht die passende Behandlung ist. Vielleicht ist aber auch der Therapeut nicht gut ausgebildet, ihm fehlt die nötige Empathie oder er zeigt kein wirkliches Interesse an seinem Patienten. Was auch vorkommt: ein «Mismatching» zwischen Therapeut und Patient. Das heißt, die beiden passen nicht zusammen. Barnow rät grundsätzlich, auf das eigene Bauchgefühl zu vertrauen: Die Chemie zwischen Patient und Therapeut muss stimmen.
Ein guter Therapeut zeichnet sich durch mehrere Eigenschaften aus, die der Patient intuitiv spürt und als Checkliste in den ersten Sitzungen prüfen kann: Er bringt viel Empathie mit, zeigt echtes Interesse und verfügt fachlich über ein breites Methodenspektrum.
«Ein guter Therapeut wird mir sofort Techniken und Informationen geben, um meine Symptomatik anzugehen», erklärt Barnow. Darüber hinaus sollte er zielgerichtet und strukturiert arbeiten, gut vorbereitet sein und gleich zu Anfang klären, welche Ziele erreicht werden sollen und was dafür zu tun ist.
Geht es dem Patient nach den ersten Sitzungen deutlich schlechter als vorher, ist gern von einer «Anfangsverschlechterung» die Rede. Barnow hält das für einen Mythos. «Natürlich kann es einem Menschen schlechter gehen, wenn belastendes Material aus seinem Leben erstmals auftaucht», sagt Bernhard Strauß, Direktor des Instituts für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Jena. Doch fühlt sich die Hälfte derer, die therapeutischen Rat suchen, schon nach acht Sitzungen besser.
Wer nach fünf sogenannten probatorischen Sitzungen kein gutes Gefühl hat, sollte das deshalb ansprechen und über einen Wechsel von Therapeut oder Verfahren nachdenken.
Aber auch, wenn Patient und Therapeut eigentlich gut zusammen passen und das Verfahren das richtige ist, hat eine Therapie manchmal Nebenwirkungen. Es kann, so Strauß, zum Beispiel zu einer Abhängigkeit vom Therapeuten kommen.
Auch soziale Beziehungen geraten durch eine Therapie gelegentlich in Schieflage. Manch einer verhält sich in seiner Paarbeziehung plötzlich ganz anders. Das kann zu Krisen bis hin zur Trennung führen – und damit auch neuen psychischen Problemen.
Aus Angst vor Nebenwirkungen sollte dennoch niemand auf eine Therapie verzichten – darin sind sich die Experten einig. Bei der Wahl der Methode und des Behandlers lohnt es sich aber, genau hinzuschauen und im Zweifel einen Wechsel in Betracht zu ziehen.
Fotocredits: Peter Steffen,Universität Heidelberg,Universitätsklinikum Jena
(dpa/tmn)
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