Der mitunter steinige Weg zur Psychotherapie
Berlin – Wenn es um das Thema Psychotherapie geht, stellen sich den meisten Menschen Fragen über Fragen. Zum Psychiater oder Psychologen? Wie sind die Wartezeiten? Was zahlt die Kasse? Wie bekomme ich überhaupt einen Termin?
Kein Wunder, denn an einen Platz für eine von der Krankenkasse bezahlten Behandlung zu kommen, kann kompliziert und aufwendig sein. Und das ist nicht alles. Wichtige Fragen und Antworten:
Psychologe oder Psychotherapeut: Wo sind die Unterschiede?
Ein Psychologe hat ein Studium in Psychologie absolviert – der Wissenschaft vom Erleben und Verhalten des Menschen. Man ist aber damit noch nicht heilkundlich ausgebildet, wie Anja Wahl erklärt. Sie ist Diplom-Psychologin, Psychotherapeutin und Beraterin beim Psychotherapie-Informationsdienst (PID).
Dazu ist eine psychotherapeutische Zusatzausbildung nötig. Die ist gesetzlich geregelt und beinhaltet eine staatliche Abschlussprüfung (Approbation). Danach ist man psychologischer Psychotherapeut.
Auch Mediziner können psychotherapeutisch tätig sein – als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder Facharzt für Psychosomatische Medizin. Oder sie machen eine psychotherapeutische Zusatzausbildung zum ärztlichen Psychotherapeuten.
Wie finde ich einen Therapeuten?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Eine ist, Therapeuten im Umkreis anzurufen und nach freien Kapazitäten zu fragen. Bei der Suche können das
Psychologenportal des Fachberufsverbands BDP, die
Psychotherapeutenkammern der Bundesländer oder die Arztsuchen der
Kassenärztlichen Vereinigungen der Bundesländer helfen.
Oder man lässt sich über die Terminservicestellen unter der Rufnummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (116 117) einen Termin vermitteln. «Dort werden aber keine Therapieplätze vermittelt, sondern ein Erstgespräch – die sogenannte Sprechstunde», wie Johanna Thünker betont. Sie ist Vorsitzende des Verbandes Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (VPP).
Wie läuft der Weg zur Therapie?
Am Anfang steht die Sprechstunde. Hier wird der Bedarf abgeklärt und gegebenenfalls eine erste Diagnose gestellt. Mit dieser Information geht es für den Patienten weiter: Nun kommen die sogenannten probatorischen Sitzungen, wie Anja Wahl erklärt. Sie dienen dem Kennenlernen und der Festigung der Diagnostik. «Die probatorischen Sitzungen sollte man nach Möglichkeit dort machen, wo man später auch die eigentliche Therapie macht», rät die Expertin.
Nach den probatorischen Sitzungen folgt – meist mit Wartezeit – die Therapie. Wie diese dann aussieht, hängt stark von der Diagnose und der Therapieform ab.
Was zahlen die Krankenkassen?
Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen in der Regel nur eine Therapie bei dafür zugelassenen Behandlern. Das sind psychologische oder ärztliche Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die in einer der vier von den Krankenkassen übernommenen Therapieformen ausgebildet sind: Verhaltenstherapie, Psychoanalyse, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und systemische Psychotherapie.
Das Problem: Nicht jeder Therapeut mit dieser Ausbildung hat eine Kassenzulassung. Wer keinen Therapeuten mit Kassenzulassung findet, kann sich laut Johanna Thünker bei einem gleichwertig ausgebildeten Psychotherapeuten in Therapie begeben und Kostenerstattung beantragen – unter bestimmten Voraussetzungen zahlen die Krankenkassen.
Wer die Kosten für die Behandlung selbst tragen muss, sollte laut Anja Wahl mit Kosten von etwa 90 Euro pro Sitzung rechnen.
Wie lange muss man auf einen Therapieplatz warten?
Zu lange, sagen Experten. Der Bedarf unter den gesetzlich Versicherten sei weitaus höher, als es kassenzugelassene Therapeuten beziehungsweise Plätze gebe, kritisiert Wahl. Wie lange man warten muss, lässt sich pauschal nicht sagen. Oft sind es mehrere Monate.
«Die Situation erscheint auch deshalb besorgniserregend, weil viele Menschen sich erst dann um einen Psychotherapieplatz bemühen, wenn es ihnen schon sehr schlecht geht und nicht bereits bei den ersten Anzeichen einer psychischen Erkrankung», erklärt Jonas Dietrich, Diplom-Psychologe und Berater bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD). «Und dann müssen sie noch ein halbes Jahr warten. Das ist nicht günstig für den Krankheitsverlauf.»
Wie kann man die Wartezeit überbrücken?
Wichtig ist: Notfälle, etwa wenn es um Suizidgedanken geht, müssen sofort behandelt werden – entweder ruft man die 112 oder wendet sich direkt an eine psychiatrische Institutsambulanz, betont Dietrich. Einweisungen sind auch über den Hausarzt möglich.
Um die Wartezeit auf einen Therapieplatz zu überbrücken, können Betroffene sich zum Beispiel an regionale Selbsthilfegruppen wenden. Zudem gibt es in jedem Landkreis den sozialpsychiatrischen Dienst, der Menschen in Krisen unterstützt und berät.
Zur emotionalen Entlastung können Menschen auch das Angebot der
Telefonseelsorge nutzen oder sich am
«Seelefon» des Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker (BApK) beraten lassen.
Unter Umständen gibt es ambulante Behandlungsangebote in der psychiatrischen Institutsambulanz. Wichtig ist, sich während der Wartezeit weiter um einen Therapieplatz zu kümmern. Denn: Alle Überbrückungsangebote ersetzen langfristig keine Therapie.
Service:
Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) bietet unter der Telefonnummer 0800-011-77-22 von Montag bis Freitag zwischen 8.00 und 20.00 Uhr bundesweit kostenlose Beratungen für Patienten an. Außerdem gibt es das Angebot einer verschlüsselten Online-Beratung unter www.patientenberatung.de
Bei der Telefonseelsorge kann man unter den Rufnummern 0800/111-0 -111, 0800/111-0-222 und 116-123 rund um die Uhr anonym Hilfe suchen – kostenfrei und bundesweit. Unterstützung gibt es auch per E-Mail und Chat sowie in Beratungsstellen Unterstützung.
Das Seelefon ist unter der Telefonnummer 0228-71-00-24-24 von Montag bis Freitag zwischen 10.00 und 20.00 Uhr (Mittwoch bis 21.00 Uhr) sowie am Samstag zwischen 14.00 und 16.00 Uhr erreichbar. Die Beraterinnen und Berater sind auch per Mail erreichbar: seelefon@psychiatrie.de
Fotocredits: Christin Klose,Thomas Rosenthal,Christin Klose
(dpa/tmn)
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(dpa)