Kliniken und Kassenärzte wegen Notfallversorgung im Clinch

Berlin – Überfüllte Notfallambulanzen in Krankenhäusern, überlastete Ärzte und zunehmend genervte Patienten: Die Patientensteuerung sowie die Zusammenarbeit zwischen den rund 150 000 niedergelassenen Ärzten und den rund 2000 Krankenhäusern läuft nicht rund.

Der Vorwurf der Kassenärzte: Über die Notfallambulanzen füllen sich viele Krankenhäuser ihre Betten. Fünf Milliarden Euro im Jahr verdienten die Kliniken mittlerweile mit Leistungen, die eigentlich ambulant von niedergelassenen Ärzten erledigt werden sollten.

Die Krankenhäuser beschweren sich im Gegenzug, die Praxen seien nur begrenzt geöffnet. Zudem werde die Behandlung von Notfallpatienten nicht ausreichend honoriert. Jetzt gibt es neuen Krach – wegen der seit 1. April geltenden
«Abklärungspauschale».

Wer macht die Abklärung und wann?

Wenn ein Patient in ein Krankenhaus kommt und angibt, ein Notfall zu sein, muss letztlich ein Arzt abklären, was derjenige hat. Das verlangt das Berufsrecht und sei haftungsrechtlich erforderlich, erläutert der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum.

Was wird abgeklärt?

Im Grunde wird bei diesem ersten Kontakt zwischen Arzt und Patient abgeklärt, ob es sich tatsächlich um einen Notfall handelt und der Patient weiter im Krankenhaus behandelt werden muss oder ob er wieder weggeschickt werden kann, um sich in eine ambulante Behandlung bei einem niedergelassenen Arzt zu begeben. Das sei bisher grundsätzlich schon ohne Honorar so gehandhabt worden, sagt der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen. Seit dem 1. April gebe es nun eine Vergütung.

Was bekommt das Krankenhaus für diese Abklärung?

Wird der Patient nach kurzer Abklärung nach Hause geschickt, weil keine sofortige Maßnahme notwendig ist, oder ein niedergelassener Arzt weiter behandeln kann, bekommt das Krankenhaus 4,74 Euro tagsüber und 8,42 Euro nachts sowie an Feiertagen und Wochenenden. Das «ist definitiv unzureichend und skandalös», sagt Baum. Denn offiziell entspreche dies gerade einmal zwei Minuten Zeit für verwaltungsmäßige Erfassung und korrekte medizinische Diagnose. Es entstehe ein immenser Zeitdruck.

«Unsinn», sagen Gassen und Johann-Magnus von Stackelberg vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Viele medizinische Leistungen werden mit einem gewissen zeitlichen Aufwand kalkuliert. Das sei eine reine Rechengröße, keinesfalls eine zeitliche Begrenzung der Behandlung. 

Laufen Patienten Gefahr, nicht angemessen behandelt zu werden?

Nein, sagen trotz der unterschiedlichen Positionen alle drei Parteien. «Es gibt durch die neue Abklärungspauschale keinen Zeitdruck», unterstreicht der GKV-Spitzenverband. Jeder Patient solle weiterhin so ausführlich untersucht werden wie nötig. Sei eine weiterreichende Diagnose erforderlich, könne diese natürlich entsprechend höher abgerechnet werden. Und bei einem «echten» Notfall wie Herzinfarkt oder Blinddarmdurchbruch spiele die Abklärungspauschale überhaupt keine Rolle. Die «Abklärung der Behandlungsnotwendigkeit» ziele auf Fälle wie die Blase an der Ferse durch neue Schuhe, die am Sonntagmorgen um 2.25 Uhr behandelt werden solle – und die Ärzte von echten Notfällen abhielten.

Bringt die neue Regelung die sektorenübergreifende Zusammenarbeit weiter? 

Nach Ansicht von KBV-Chef Gassen kann die Abklärungspauschale eine Entlastung der Notfallambulanzen bringen. «Sie haben dann mehr Zeit für echte Notfälle.» Die Krankenkassen sind zurückhaltender. Aber auch sie hoffen, dass die Leistung Entlastung für die Krankenhäuser bringt.

Dagegen sagt DKG-Hauptgeschäftsführer Baum: «Wegschicken hat nichts mit Kooperation zu tun. Wir brauchen eine grundsätzliche Neuordnung der ambulanten Nothilfeleistungen in den Krankenhäusern.» Das müsse der Gesetzgeber in der nächsten Legislaturperiode angehen. Bis dahin fordert die DKG, sofort «die Pauschalen um einen Zuschlag von 10 Euro per Gesetz zu erhöhen».

Fotocredits: Andre Kolm
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